Samstagsschulen: Ein Ort zum entdecken der russischen Wurzeln
Schulkinder in der Sowjetunion. Bild: Konstantin Boronin | CC BY-SA 4.0
Mit der Migration ändert sich nicht nur der Lebensraum, sondern auch die Sprache der Zugewanderten. Nicht immer ist es einfach seine Muttersprache beizubehalten und noch weniger, diese an die nächste Generation weiterzugeben. Für die russischsprachige Community in Dortmund bietet der Verein Vita e.V. Kindern von fünf bis 16 Jahren die Möglichkeit in einer Samstagsschule die russische Sprache zu lernen. Zusätzlich lernen die Kinder mehr zur Geographie, Literatur und Geschichte der ehemaligen Sowjetunion und dem heutigen Russland. Außerdem werden die Kinder zusätzlich in Kultur und Traditionen unterrichtet, „damit sie das Leben ihrer Großeltern und Eltern verstehen lernen“, wie die Gründerin Valentina Grebenūk sagt.
Dabei entstand die Samstagsschule von Vita e.V. eher zufällig wie Grebenūk sagt: „Es gab eine russische Samstagsschule, die kurz nach unserer Vereinsgründung im Jahr 2003 schloss. Plötzlich standen 15 Kinder und gute Lehrerinnen auf der Straße. Meine Kollegin und ich dachten uns daraufhin: ,Wir machen das’. Wir haben dann alles innerhalb von zwei Wochen organisiert und hatten nach drei Monaten bereits 50 Mitglieder“. Den schnellen Erfolg erklärt sie sich damit, dass ihre Schule „unparteiisch, unabhängig von Religionen und offen für Familien aus allen Schichten ist“.
Neben der Samstagsschule, die in der neunten Klasse mit einer Prüfung am Landesspracheninstitut auf dem Niveau B1(d.h. selbstständige Sprachverwendung) abgeschlossen wird, nehmen die Kinder an zahlreichen Exkursionen und Ausflügen – wie in Freizeitparks, aber auch Gedenkstätten – teil und veranstalten zusammen mit der Schule verschiedene russische Feste. Auf diese Weise lernen nicht nur die Schüler*innen die Traditionen ihrer Eltern und Großeltern kennen, sondern können sie auch der sogenannten Mehrheitsgesellschaft näher bringen.
Allerdings beschäftigen sich die Schüler*innen nicht nur mit den Traditionen, es findet auch immer wieder eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit statt. So wurde eine Exkursion in das Vernichtungslager Auschwitz unternommen, der dazu führte, dass sich auch die nicht-jüdischen Kinder mehr mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzten, wie Grebenūk erzählt: „Nach dieser Reise haben viele der Kinder zu Hause nachgefragt, was ihre Familie mit diesem Teil der Geschichte verbindet und warum darüber nicht gesprochen wird“. Denn auch Russlanddeutsche Familien wurden unter den Nazis ermordet, deportiert und in Arbeitslager gezwungen.
Damit hilft die Samstagsschule nicht nur bei der Pflege der Muttersprache, sondern auch der Erforschung der eigenen Familiengeschichte. „Die Samstagsschule ist wichtig, weil man die eigenen Wurzeln kennenlernt, sie akzeptieren lernt und sie dadurch pflegt“, wie Olga Rensch, Mitglied von Vita e.V. betont und dabei hinzufügt: „Je breiter die Kulturvielfalt in der Gesellschaft dargestellt wird, desto einfacher ist es für alle Einwohner. Man bereichert sich gegenseitig. Die Vielfalt macht uns stark. Der Transformationsprozess der Gesellschaft ist unser Reichtum für morgen!“.
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