Silvester: Die Migrantisierung von Kriminalität
Kriminolog*innen und Soziolog*innen schütteln wahrscheinlich seit Neujahr, so wie Wackeldackel, ununterbrochen den Kopf, wenn sie sich die Berichterstattung zur Silvesternacht in Berlin anschauen.
Parallel sprechen manche Politiker- und Journalist*innen seit Neujahr in Dauerschleife über die vermutete Herkunft der Täter. So, als ob die Herkunft erklären würde, warum überwiegend Jugendliche und junge Männer mit (illegalen) Böllern und Raketen auf Polizei- und Feuerwehrkräfte in der Silvesternacht geschossen haben. Diese Diskussion ist nicht wissenschaftlich, sondern rassistisch.
Das kleine Einmaleins der Forschung besagt: Nicht die ethnische Herkunft erhöht das Risiko kriminell zu werden, sondern die soziale Herkunft. Die meisten Täter sind also vermutlich bildungsfern, sozial abgehängt und wirtschaftlich schlecht gestellt.
Dass die Herkunft der Tatverdächtigen keine große Rolle spielt, zeigt eine Stellungnahme des Innenministeriums zum Lagebericht 2021, der rund 88.600 Übergriffe auf Polizeibeamte erfasste. Von den bekannten Täter*innen seien 84 Prozent männlich und 70 Prozent deutsche Staatsbürger*innen.
Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass 13,1 Prozent der Bevölkerung Ausländer*innen sind. Sie machen jedoch 30 Prozent der Täter:innen aus, wenn es um Übergriffe auf Polizeibeamte geht.
Nun könnten sich Rassist*innen bestätigt fühlen, denn auf den ersten Blick wirkt es, als ob Ausländer:innen aufgrund ihrer Herkunft häufiger kriminell sind. Ausländer:innen sind jedoch auch häufiger von relativer Armut und Bildungsdefiziten betroffen. Dies führt zur Kriminalität und nicht die Herkunft.
Unabhängig von der Herkunft ist und bleibt die Gewalt gegen Sicherheitskräfte kriminell. Dennoch sind viele Täter auch Opfer eines Systems, indem Chancengleichheit eine Illusion ist. Bildungsferne und von relativer Armut betroffene Menschen haben qua Geburt schlechte Karten im Leben, denn ihre Wahrscheinlichkeit aufzusteigen ist gering, wie diverse Studien belegen.
Dies rechtfertigt nicht die Taten, aber es zeigt, wo das Problem liegt. Natürlich müssen die Täter bestraft werden, aber die Bildungs- und Sozialpolitik ist vor allem gefragt, statt rassistische Debatten zu führen.
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