Hunger als Waffe: Die Aufarbeitung des Holodomor sollte nur der Anfang sein

von | 30.11.2022 | Rassismus

Hunger | Bild: pexels

Am Mittwoch findet im Bundestag eine Resolution über den Holodomor statt. Dabei soll entschieden werden, ob der Holodomor, also der Mord durch Hunger in der Ukraine in 1932 und 1933 als Genozid anerkannt werden soll. In diesen zwei Jahren haben Stalin und sein Regime durch Zwangskollektivierungen und weiteren Maßnahmen vier Millionen Menschen in der Ukraine gezielt verhungern lassen. Damit sollten die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ukraine unterdrückt und die Macht der kommunistischen Partei gestärkt werden. Die Resolution könnte eine nachträgliche Anerkennung des Leids der ukrainischen Bevölkerung sein, das nun wieder unter den politischen Machthabern Moskaus um seine Existenz bangen muss. 

Allerdings wird häufig vergessen, dass die Ukraine nicht das einzige Land war, in dem gezielt Hunger als Mittel der Wahl zum Machterhalt gewählt wurde. In meinem Geburtsland Kasachstan fand zu einer ähnlichen Zeit wie in der Ukraine ebenfalls eine von den sowjetischen Machthabern aufgedrückte Hungersnot statt. Das bis dahin von hauptsächlich Nomaden bewohnte Land wurde ebenfalls zwangskollektiviert. Dies führte zu einem systematischen Schlachten des kasachischen Viehs durch die sowjetischen Machthaber und zu einer enormen Hungersnot. 

Im Vergleich zum Holodomor starben Kasachstan weniger Menschen, denn beim Zulmat, was übersetzt die große Katastrophe heißt, starben „nur“ 1,5 Millionen Menschen. Wenn dies allerdings auf die Bevölkerung hochgerechnet wird, kommt man zu dem Ergebnis, dass jede*r dritte Kasach*in bei dieser Hungersnot starb. Allerdings war dies nicht die einzige Tragödie an dieser Hungersnot. Denn durch die Maßnahme starb die nomadische Kultur der Kasach*innen beinah vollständig aus und die jahrhunderte alten Stammesgefüge wurden ausgehoben. 

Ich will das Leid des einen nicht gegen das Leid des anderen aushebeln. Ich finde es wichtig und richtig, dass wir in Deutschland endlich über den stalinistischen Terror sprechen und aufhören, die Sowjet-Union zu romantisieren, wie es in einigen linken, aber auch rechten Kreisen üblich ist. Nachdem bereits 16 Staaten den Holodomor als Genozid anerkannt haben, istes auch für Deutschland an der Zeit, dies zu tun. Vielmehr geht es mir darum, aufzuzeigen, dass die Gewalt aus Moskau ein Kontinuum ist und sich diese Gewalt nicht nur auf die Ukraine beschränkt.

Denn noch immer kommt es für meinen Geschmack viel zu häufig vor, dass die Sowjet-Union in Deutschland romantisiert wird. Und das ist nicht nur aus historischer Sicht ein Problem, sondern auch für die über drei Millionen Menschen, die aus den Ländern der ehemaligen Sowjet-Union nach Deutschland immigriert sind. Denn durch das Ausblenden des stalinistischen Terrors  werden unsere schmerzhaften Erfahrungen unsichtbar gemacht und eine Aufarbeitung enorm erschwert.

Hat dir der Artikel gefallen oder hast du eine Meinung dazu? Dann kommentiere unsere Beiträge auf Facebook oder Instagram.