Russisch und voller Überzeugung gegen den Krieg! Und doch habe ich Angst.

von | 22.03.2022 | migration

Dies ist eine beispielhafte Bildunterschrift

Ich setze mich als Mensch mit russischen Wurzeln gerne mit allem was ich hab und kann gegen den Angriffskrieg Russlands ein. Ich verstehe wie groß das Leid der Ukrainer*innen und der Menschen, die um ihre Liebsten in dem Kriegsgebiet fürchten, ist. Wir, ich sehen euch und stehen hinter euch. Und doch möchte ich den Standarddeutschen, denen der Krieg vielleicht schon egal geworden ist, sagen, wir zahlen einen Preis für dieses Engagement, auch wenn dieser im Vergleich zu dem der Betroffenen marginal ist. 

Auf einer persönlichen Ebene ist er für mich hoch. Ich werde nicht mehr nach Russland einreisen können, solange Putin an der Macht ist, da mir bei meiner Einreise bis zu 15 Jahre Haft drohen würden. Denn ich habe mich immer wieder in den sozialen Medien gegen den Angriffskrieg Russlands gestellt und ihn als solchen benannt. Vermutlich werde ich einige Familienmitglieder nicht mehr persönlich sehen können, bevor sie aufgrund ihres Alters sterben werden. Vermutlich wird meine Tochter diesen Teil der Familie nie kennenlernen können. 

Gleichzeitig habe ich Angst, welche Konsequenzen die Sanktionen gegen Russland für meine Familie haben werden. Und das während ich gleichzeitig jede weitere Sanktionen mit voller Überzeugung befürworte. Ich frage mich, ob meine Familie, wie in den 90er Jahren hungern werden muss. Ob sie eher existieren denn leben werden? Ob wir sie finanziell unterstützen werden können? Ob das Geld überhaupt ankommen wird? Und nicht zuletzt, ob sie überhaupt sicher sind? Denn wie einige Russ*innen haben wir auch in unserer Familie einen ukrainischen Hintergrund und die verbalen Attacken gegen sie in Russland haben bereits begonnen. 

Und auch meine Sorge, um unser Zusammenleben in Deutschland steigt. Wie holen wir die Russlanddeutschen Putinversteher wieder in unsere Demokratie ab? Wie steht es um den Antislawismus, der bereits jetzt angestiegen ist? Der Antislawismus ist besonders perfide, weil er vermeintliche Aggressoren ausgrenzen will und dabei in seinem blinden und unüberlegten Aktionismus die Betroffenen selbst ausgrenzt. Denn für viele in Deutschland sind wir aus den Post-Ost Staaten eh alle die Gleichen. Wie wollt ihr dann Russ*innen und Ukraier*innen unterscheiden? Mal ganz davon ab, das Hass noch nie die Lösung war.

Kurz: Ich habe Angst. Und doch werde ich jeden Tag weiter machen. Informieren, Paroli bieten und demonstrieren, denn für Freiheit und Frieden ist kein Preis zu hoch, insbesondere wenn dieser aus dem sicheren Deutschland zu zahlen ist.

 

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