Ich bin keine Kasachstan-Expertin, nur weil ich dort geboren wurde!

von | 13.01.2022 | Diskriminierung

Eine Moschee in Almaty, Kasachstan | Bild: flickr | Loris Silvio Zecchinato | CC BY 2.0

Seit Anfang des Jahres gibt es in der Millionenmetropole Almaty in Kasachstan Demonstrationen, die zu tausendfachen Verhaftungen und über 100 Toten geführt haben. Mich nimmt die Situation in meinem Geburtsland mit und ich habe mich aufrichtig über jede Nachricht gefreut, die sich darüber erkundigt hat, ob meine Familie in Sicherheit ist. Allerdings waren diese Nachrichten eher in der Minderheit und tatsächlich war die erste Frage im Büro nach zweiwöchigen Urlaub: „Sag mal Olga, was passiert denn da gerade in Kasachstan?“.

Während ich meinem Gegenüber antwortete, dass ich genauso viel (oder wenig) wisse, wie  die meisten anderen, konnte ich beobachten, wie sich Enttäuschung in seinem Gesicht breit machte. Anscheinend hoffte er, hier und jetzt an Exklusivinformationen aus einem Krisengebiet zu kommen. Schließlich wurde ich doch in Kasachstan geboren, aber macht mich das automatisch zur Expertin? 

Kurz: nein. Denn nur weil ich in einem Land geboren wurde, heißt dies nicht, dass ich Expertin für dieses sein muss. Natürlich gibt es Menschen, die sich ausführlicher und beständiger mit ihrem Herkunftsland beschäftigen und ich bin mir sicher, diese Menschen teilen ihr Wissen oft auch gerne und von sich aus mit euch. Allerdings verbindet mich bis auf ein diffuses nostalgische Gefühl und dem Ort meiner Geburt wenig bis gar nichts mit diesem Land. 

Allerdings muss ich meinen Arbeitskollegen an dieser Stelle in Schutz nehmen. Er war bei weitem nicht der Erste und sehr wahrscheinlich nicht der Letzte, der mich um eine Einschätzung der Lage in Russland und/oder einem der ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjet Union gebeten hatte. Und das auf Basis meiner (vermuteten) Herkunft. Ich verstehe eure Neugier, aber diese wiegt nicht schwerer als meine persönlichen Gefühle. Denn wenn ich zum Beispiel tatsächlich ein Familienmitglied in den Demonstrationen verloren hätte, wäre dies nicht nur ziemlich unangenehm für einen Smalltalk gewesen, es hätte außerdem bereits bestehende Wunden aufgerissen.

Falls euch die Lage in einem bestimmten Land, aber mal wirklich interessieren sollte, habe ich einen Tipp für euch: Google! Und wenn ihr nachfragt, dann versucht dies sensibel zu machen und akzeptiert es falls die gefragte Person nicht antworten möchte.

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