Warum ich meiner Tochter nie wieder die Haare glätte!

von | 30.12.2021 | Diskriminierung, Feminismus, Rassismus, Sexismus

Lockige Haare sind wunderschön! | Bild: pexels

Heute morgen habe ich nachgegeben und meiner vierjährigen Tochter die Haare geglättet. Keine große Sache möchte man meinen, wäre es vielleicht auch nicht, wenn meine Tochter äußerlich einer Bullerbü Geschichte entspringen könnte. Tut sie aber nicht. Meine Tochter hat wunderschöne, braune, lockige Haare. Zumindest empfinde ich es so, sie wünscht sich stattdessen die glatten Haare ihrer Freund*innen. Ich weiß, ein normales Verhalten bei Kindern. Sie möchten das haben, was die anderen haben, sei es etwas materielles oder eben Körpereigenschaften. Doch bei Menschen of Color sind Haare und die dazugehörigen Gefühle nicht nur das, sie sind ein Politikum!

Die Journalistin und Autorin Alice Hasters widmete Afrohaaren in ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ ein ganzes Kapitel. Darin beschreibt sie, wie ihr auch noch im Erwachsenenalter ständig wildfremde Menschen in die Haare greifen oder dies zumindest versuchen. Auch ich musste schon etliche Hände wildfremder Menschen wegschlagen, bevor sie ihre Greifer in den Haaren meiner Tochter versenken konnten. 

Allerdings hört die Übergriffigkeit hier nicht auf. In der Werbung werden lockige Haare meistens als Problem dargestellt, dass es nur mit dem richtigen Shampoo zu lösen gilt. Dann wird aus widerspenstigem, seidig glattes Haar. Das führt nicht nur dazu, dass sich etliche Frauen Jahre und Jahrzehnte lang ihre Haare chemisch glätten, wie auch die Gründerin und ehemaliges Germanys Next Topmodell Sara Nuru (3), sondern auch zu verinnerlichten Körperhass.

Diese Erkenntnis traf mich heute morgen, als das Koffein endlich auch mein Gehirn erreichte. Währenddessen bewunderte sich meine Tochter selbst im Spiegel und fragte mich, ob ihre Haare für immer so bleiben würden. Und so konnte ich mir direkt auch meine Gesichtsentgleisung im Spiegel ansehen, samt meiner Tränen, die ich versuchte zu unterdrücken. Ich will nicht, dass meine Tochter ihre Haare, ihren Körper und ihr Erscheinungsbild als Problem begreift. Ich will nicht, dass sie Schönheit nur mit eurozentristischen Maßstäben begreift und ich weiß es liegt an mir, dies zu ändern. Es war das erste und das letzte mal, dass ich meiner Tochter die Haare geglättet habe. 

Stattdessen möchte ich sie stärken, ihr die Schönheit ihrer Haare, ihrer Haut und ihres Seins zeigen. Ich weiß, ich werde nicht jeden Morgen, nicht jeden Tag die Kraft dafür haben, meine Tochter zu empowern. Ich weiß aber auch, wie viel davon abhängt. Und in der Zwischenzeit würde ich alle anderen bitten, ihre Hände aus den Haaren anderer Menschen zu lassen, außer sie haben ganz ausdrücklich darum gebeten!

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