Archiv der Flucht: Flucht und Migration gehören schon immer zu Deutschland!
Bild: Archiv der Flucht, Nelly Neufeld
Ich heiße Olga und aufgrund meines Namens war mir immer bewusst oder wurde mir bewusst gemacht, dass meine Familie und ich migriert sind. Und obwohl dieser Umstand so klar war, war mir vieles, was dieses Thema betrifft eben nicht klar. Denn wirklich geredet wurde in meiner Familie wenig darüber, selbst wenn ich nachgefragt habe. Umso spannender ist es für mich die Videos des Projekts „Archiv der Flucht“ zu sehen, in dem 41 Menschen verschiedener Herkünfte – unter anderem auch aus Russland – zu ihrer Flucht- und Migrationserfahrung in teilweise stundenlangen Interviews befragt werden.
In den Videos werden die Protagonist*innen in Nahaufnahme vor einem grauen Hintergrund gefilmt und von unterschiedlichen Personen interviewt, darunter von Journalist*innen, Kulturwissenschaftler*innen und Autor*innen. Die Protagonist*innen sind unterschiedlich alt, sind teilweise bereits 1945 aus Schlesien geflohen oder aber erst kürzlich aus Libyen.
Damit möchte das Archiv der Flucht ein „digitale Gedächtnisort“ sein, der nicht nur Menschen wie mir einen Teil ihrer Geschichte zugänglich macht, wenn es in der eigenen Familie unaussprechlich scheint. Außerdem gehe es darum wie „Flucht und Migration nach Deutschland im 20. und 21. Jahrhundert erinnert und als wesentlicher Bestandteil deutscher Geschichte“ begriffen wird, wie die Initiatorin des Projekts Carolin Emcke in einem Zeit-Interview sagt.
Durch die verschiedenen Geschichten der Flucht und Migration, die einen so langen Zeitraum überbrücken wird auch eines besonders deutlich: 2015 ist und war keine historische Absonderlichkeit in Deutschland. Denn Migrationsbewegungen waren gerade nach 1945 ein stetiger Prozess, der dauerhaft stattfand und das Deutschland, in dem wir leben, schon immer geprägt hat.
Zudem schafft es das Projekt ein dreidimensionales Bild der Protagonist*innen zu schaffen. Denn statt die Flucht in den Fokus zu setzen, werden wir durch das Leben der Personen mitgenommen. Wir erfahren etwas über ihre Kindheit und Jugend, ihre Herkunft, Familie und eben alles, was ein Leben so ausmacht. So wird sich der Flucht und Migration langsam genähert und es wird deutlich, auch wenn es ein prägnanter Punkt im Leben war, so ist es nicht der einzige, der diese Menschen geprägt hat. Kurz: Archiv der Flucht macht aus Flüchtlingen, Menschen die geflüchtet sind.
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