Protestcamp gegen Obdachlosigkeit: Notunterkünfte in Dortmund reichen nicht aus!

von | 06.02.2023 | Diskriminierung, Klassismus

Das Protestcamp auf der Kampstraße.

Ein rotes Plakat hängt von der Sparkassenfassade, darauf zu lesen „leben in Dortmund“, darüber ein Herz, in dem ein Haus abgebildet ist. Offensichtlich eine Werbung für Wohnungen in Dortmund. Etwas zynisch, wenn der Blick vom Plakat auf den Bordstein wandert, denn dort sind zahlreiche kleine Zelte aufgestellt, die versuchen, dem Regen und Wind der letzten Tage zu trotzen. Neben der Haupteinkaufsstraße „Westenhellweg“ wurde das Protestcamp „Schlafen statt Strafen“ aufgebaut, bei dem Obdachlose und Aktivist*innen auf die prekäre Lage der Obdachlosen aufmerksam machen und die Politik zum Handeln bewegen wollen.

Neben den kleinen Zelten, die den Obdachlosen als Schlafplatz dienen, sind noch größere Zelte aufgestellt, in denen sich die Obdachlosen mit Essen versorgen, austauschen oder einfach nur trocken und warm verweilen können. Jennifer Saß, Initiatorin des Camps, erzählt, dass dieses Camp eigentlich ausschließlich dem Protest gedacht war, doch stattdessen leisten sie hauptsächlich Hilfe. Sie verteilen die gespendeten Schlafsäcke und Zelte, bereiten Essen zu und versuchen bei Sorgen und Nöten zu helfen. „Hätten wir gewusst, dass wir so viel Hilfe leisten müssen, hätten wir das Ganze anders aufgezogen“, erzählt sie mir. 

Denn der Zulauf der vielen Obdachlosen hat sie überrascht: „Es ist für uns auch erschreckend, wie viele Menschen sich hier angeschlossen haben und wie viele diese Hilfen wahrnehmen, im Vergleich zur Männer Übernachtungsstelle“, denn diese ist keine 500 Meter vom Protestcamp entfernt. Doch dort sind nicht nur viel zu wenig Übernachtungsstellen. Vielmehr scheuen viele den Weg dorthin wegen der menschenunwürdigen Behandlung durch die Securitydienste, aber auch wegen der Angst beklaut und/oder diskriminiert zu werden.

Auf meine Frage, warum die Obdachlosen hier sind und was sie sich von der Protestaktion erhoffen, sind sich alle einig: „Das wir endlich gesehen werden und etwas unternommen wird“. Denn immer mehr verschwindet Obdachlosigkeit aus unserer Wahrnehmung, nicht etwa, weil es weniger Obdachlosigkeit gäbe, denn es gibt mehr wie die Obdachlosenhilfe Bodo e.V. feststellt. Vielmehr sind es gerade in Dortmund private Sicherheitsdienste, die Obdachlose vermehrt auch in der Nacht von ihren Schlafplätzen aus der Innenstadt vertreiben. Angestellt sind diese Sicherheitsdienste durch „Cityring“ eine Vereinigung von Geschäftsleuten aus der Innenstadt.

Die Einladung das Camp zu besuchen und mit den Betroffenen direkt ins Gespräch zu kommen, haben sowohl der Oberbürgermeister Westphal als auch die Sozialdezernentin Zoerner abgelehnt und stattdessen die Initiatoren des Camps zum Netzwerk Wohnungshilfe eingeladen. Gleichzeitig wurde auf die bestehenden Übernachtungsmöglichkeiten und Hilfsangebote verwiesen. Dialog sieht eigentlich anders aus. Und würde dieser tatsächlich stattfinden, würde die Politik und Gesellschaft feststellen, dass Wohnungslosigkeit nur ein paar Schicksalschläge entfernt sein kann. Und sollte es wirklich von Glück abhängen, ob Menschen  in schwierigen Phasen auf der Straße landen oder ob ihnen geholfen wird? 

Das Protestcamp läuft noch bis zum 5. Februar und wird in der Zeit von Konzerten, Kundgebungen und Führungen durch die Stadt begleitet.

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