Bundeswehr investiert nur 0,006 Prozent des Gesamtetats und 0 Cent des Sondervermögens in politische Bildung
Seit Bekanntwerden rechtsextremer Umtriebe in der Bundeswehr, verspricht das Verteidigungsministerium mehr Engagement und Entschlossenheit. „Die Bundeswehr will keine Extremisten in ihren Reihen“, heißt es auf der Webseite der Bundeswehr. Und deshalb sei sie auch präventiv tätig: „Mit politischer Bildung beispielsweise“ trete sie extremistischem Gedankengut entgegen.
Sucht man allerdings nach den Ausgaben für politische Bildung, wird man im Netz nicht fündig. Erst eine Anfrage beim Ministerium bringt Licht ins Dunkel. Wie mir eine Ministeriumssprecherin mitteilte, wurden 2021 für politische Bildung rund 3 Millionen Euro ausgegeben (2020: 2,7 Mio.).
Angesichts des Gesamtetats von knapp 47 Milliarden Euro entspricht das 0,006383 Prozent aller Ausgaben. Damit investiert die Bundeswehr bei 183.427 Soldaten etwas mehr als 16 Euro pro Soldat und Jahr in politische Bildung (3). Auf das 100-Milliarden-Sondervermögen ist auch nicht zu hoffen, denn davon soll kein einziger Cent in die politische Bildung deutscher Soldaten*innen fließen, sondern „der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben“ dienen, wie die Ministeriumssprecherin mitteilte.
Politische Bildung sei bei der Bundeswehr „ein ganzheitliches Thema, das im täglichen Dienstbetrieb verankert“ sei und „sämtliche Bereiche“ erfasse. Haushaltsmittel seien „für einen Großteil der Maßnahmen nicht erforderlich”,…„da sie durch durch eigenes Personal durchgeführt werden.”
Diese Strategie zur Extremismusbekämpfung geht jedoch nicht auf. Zwischen 2016 und September 2021 wurden 225 extremistische Soldaten entlassen, 60 allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres. Die allermeisten werden dem Rechtsextremismus zugeordnet. Die Fälle reichen von geplanten Terroranschlägen ehemaliger Bundeswehrsoldaten über Waffen- und Munitionsdiebstahl vom Wehrbestand bis hin zu Exzessen innerhalb der Truppe mit Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken.
Als Reaktion hat die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer 2020 einen Maßnahmenkatalog mit 60 Punkten vorgelegt, darunter auch die Auflösung einer KSK-Einheit wegen Häufung rechtsextremer Umtriebe, was inzwischen wieder vom Tisch ist, doch das Ausmaß des Problems aufzeigt.
Das zeigen auch steigende Zahlen rechtsextremer Verdachtsfälle innerhalb der Bundeswehr: im Jahr 2018 waren es insgesamt 270, 2019 schon 363, 2020 bereits 843 und im Jahr 2021 schließlich 1.242. Das entspricht einem Anstieg um 460 Prozent (4). Die meisten Verdachtsfälle werden als rechtsextremistisch eingestuft. Die tatsächlichen Zahlen sind vermutlich höher, weil es sich bei den Angaben um das Hellfeld handelt.
Der Präsident des Thüringer Amts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, kommentierte das Lagebild wie folgt: „Wenn ich mir die Entwicklungen in den letzten fünf Jahren anschaue, muss ich offen gestehen, mache ich mir ernsthafte Sorgen um unsere Demokratie“(5).
Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP „Maßnahmen der politischen Bildung“ in der Bundeswehr vereinbart. Sie sollen „zeitgemäß ausgestaltet und ausgebaut“ werden. Im Haushaltsplan 2022 ist das jedoch noch nicht zu erkennen. Politische Bildung der Truppe ist weiterhin unter „Sonstiges“ zusammengefasst, da die Summe so niedrig ist.
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